Der Zehnte - 

Muss man den bezahlen, um nicht "unter einen Fluch zu kommen"?

Die Frage, ob Christen von ihrem Vermögen oder Einkommen (mindestens) den Zehnten, also 10 Prozent ihres Einkommens, „dem Herrn“ geben müssen - z.B. über die wöchentliche Kollekte in ihrer Ortsgemeinde - hat schon viele beschäftigt. Zur Beantwortung dieser Frage muss geklärt werden:

  • Worum geht es beim "neutestamentlichen Geben" für Christen?
  • Bedeutet "der Zehnte" etwas für Christen im Neuen Bund?

Das Neue Testament gibt uns klare Hinweise zum "Geben". Zum Beispiel in 1. Korinther 16,2 heißt es: "so viel einem jeden möglich ist" oder „was seinen Einkünften entspricht“, soll der Gläubige zurücklegen und geben. 2. Korinther 8 und 9 weisen auf die innere Einstellung beim Geben hin. "Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb" (2. Kor 9,7).

Ein gesetzlich festgelegter Betrag widerspricht der Freiheit, die Jesus Christus seinen Nachfolgern erworben hat (Gal. 5,1). Gott sucht keine Form, sondern unser Herz. Im Neuen Testament steht nirgendwo etwas von einem festgelegten, prozentualen Betrag, den ein gläubiger Christ geben muss oder soll.

Auch das häufig zu hörende Argument: "Wir leben in der Zeit der Gnade. Daher "müssen" wir mehr geben als unter Gesetz, also mindestens 10 Prozent“ findet im Neuen Testament keine Unterstützung. Wir dürfen so viel geben, wie wir geben wollen und können. Dabei weiß die rechte Hand nicht, was die linke gibt (vgl. Matth. 6,3).

Beim Thema des „Zehnten“ wäre übrigens zu berücksichtigen, dass es sich hierbei im Alten Bund nicht um 10 Prozent eines Jahres-Einkommens handelte. Zu bestimmten Zeiten unter bestimmten Umständen war nämlich mehr als ein „Zehnter“ zu geben:

1) Zehn Prozent aller Erträge des Landes sollten pro Jahr als Lohn für die landlosen, levitischen Priester und ihren Tempeldienst abgegeben werden (die wiederum ihrerseits 10 Prozent in die Lagerhäuser des Tempels zu bringen hatten) (3. Mose 27, 30-33; 4. Mose 18, 21-31).

2) Zehn weitere Prozent pro Jahr waren für die Finanzierung der jüdischen Feste aufzubringen (5. Mose 14, 22-27). Von diesem „Festzehnten“ konnte man aus Gründen der Logistik die entsprechenden Erträge auch zu Hause verkaufen und zu Geld machen, sich dann auf den Weg nach Jerusalem begeben und dort mit dem Geld wieder die Dinge kaufen, die für das Fest benötigt wurden.

3) Schließlich gab es die Vorschrift eines Armenzehnten (5. Mose 14, 28-29; 26,
 12-13), der nur alle 3 Jahre, im sog. „Zehntjahr“, zusätzlich abzugeben war. Dieser ähnelte einer Sozialversicherungsabgabe, denn er war bestimmt für die lokalen Leviten sowie Waisen, Witwen, Arme und Fremdlinge vor Ort.

Die Abgabebelastung der jüdischen Familie lag diesen Texten gemäß also bei durchschnittlich 23,3 Prozent des Bruttoertrages pro Jahr.

Auch das zeigt, dass die Behauptung, Gottes Wille für gläubige Christen wäre der Zehnte, also die regelmäßige Gabe von 10 Prozent des Einkommens „in das Reich Gottes“ (was auch immer darunter zu verstehen wäre), unzutreffend sein würde.

Was den neuen Bund angeht, könnte man aus 1. Kor. 9,14 und 1. Tim. 5,18 eine gewisse finanzielle Verantwortung gegenüber denen, die in Wort und Lehre arbeiten, entnehmen. Aber nirgendwo werden hier feste Werte oder Prozente gefordert, empfohlen oder ein „gesegneter“ Mindestwert festgelegt, sondern es soll wohl jeweils frei aus der Beziehung zu Gott und den Geschwistern heraus in der entsprechenden Situation immer wieder neu entschieden werden, wie dies umgesetzt wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Paulus sich immer bemüht hat, die jeweilige Gemeinde, in der er lebte und diente, in finanzieller Hinsicht nicht zu belasten, sei es, dass er trotz Aposteldienst berufstätig war (Apg. 18,3; 1. Thess. 2,9) oder sehr genügsam lebte (vgl. Phil. 4. 10-19).

In 2. Kor. 8,14 beschreibt Paulus das Motiv für seine "Spendenaufrufe": Gemeinden oder einzelne Gläubige im Leib Christi mit Überfluss sollten solche mit Mangel unterstützen, damit Gleichheit entstehe. Es geht also hier um Ausgleich der Familienmitglieder in Christus untereinander.